Wie ein Teenie aus Sri Lanka zum Beauty-Experten in Berlin wurde

Wie ein Teenie aus Sri Lanka zum Beauty-Experten in Berlin wurde.

Berliner Morgenpost Sommerserie


Mit 16 traf Nishantha in Sri Lanka zwei Berliner Touristen. Dies sollte zum Wendepunkt für sein Leben werden. Was danach passierte.

Nishantha ist ein „Blumenprinz“. Zumindest ist das die wortwörtliche Übersetzung seines Nachnamens. Dass Nishantha, der in Sri Lanka geboren und aufgewachsen ist, einmal in Berlin leben würde mit einem eigenen Beauty-Unternehmen, einer Ehefrau und vier Kindern, das hätte er als Kind nie zu träumen gewagt.

„Bis ich 18 Jahre alt war, wusste ich nicht einmal wie Berlin aussieht, ich sprach weder deutsch, noch englisch, hatte das Land nie verlassen und einen Fernseher hatten wir zuhause auch nicht“, sagt er und lacht. Mit 16 Jahren kam es allerdings zu einer schicksalhaften Begegnung in seiner Heimat, die alles änderte.

Der Wunsch nach Joghurt und eine freundliche Geste

Nishantha hatte Touristen bis zu dem Tag schon oft von Weitem gesehen. Mehr aber auch nicht. Als 16-Jähriger arbeitete er in den Sommerferien in einem Café. Eines nachmittags kam ein Paar herein, das nach „Curd“ fragte. Dieser war aber ausverkauft. Am nächsten Tag passierte dasselbe wieder und am dritten Tag noch einmal. Es ging um eine Joghurt-Spezialität, bekannt auch als „Mee Kiri“ – ein traditionelles Milchprodukt, das oft als Mischung aus Joghurt und Sahne beschrieben wird, aber etwas säuerlicher als Joghurt ist.

„Mee Kiri wird meist nur in ganz kleinen Mengen, jeden Tag aus frisch gemolkener Milch hergestellt“, erzählt Nishantha. Weil die beiden Touristen so furchtbar enttäuscht waren, dass sie diese Spezialität aus Sri Lanka nirgends bekommen hatten, ging Nishantha schließlich persönlich zu einem Bauern, den er kannte, um Joghurt zu holen und übergab ihn an die Fremden, die sich überschwänglich bedankten. Die Verständigung erfolgte dabei mit Händen und Füßen, denn eine gemeinsame Sprache stand ihnen nicht zur Verfügung.

Briefe, ein T-Shirt, eine Einladung

Womit Nishanta nicht gerechnet hatte: Eines Tages wurde ein Brief für ihn aus Berlin im Café abgegeben. Das Paar aus Berlin hatte Nishantas Adresse nicht gekannt. Auch danach flogen immer wieder kleine Briefe, die stets jemand im Dorf übersetzen musste, zwischen dem Café in Sri Lanka und Berlin-Schöneberg hin und her.

Aus dem kurzen Kontakt entwickelte sich eine Art Freundschaft. Irgendwann kam ein T-Shirt für Nishantha, auf dem stand „I Love New York“. Und schließlich eine herzliche Einladung nach Berlin. „Meine Freunde luden mich für drei Monate nach Berlin zu sich ein. Sie bezahlten mir sogar den Flug und halfen mir dabei, ein Visum zu bekommen.“

Nishanthas Vater, ein Zimtmacher und seine Mutter, eine Seilerin, hatten für ihren Sohn eigentlich andere Pläne: Weil er gut singen und reden konnte, fanden sie, dass er Lehramt studieren sollte, nicht weit vom Elternhaus entfernt. Dass er sich vorher Europa angucken wollte, war für sie in Ordnung. Sie rechneten damit, dass er bald wieder zu ihnen zurück käme.

Das Haus in Berlin kommt ihm bekannt vor

Das Abenteuer begann: Nach seinem Abitur verließ Nishantha zum ersten Mal sein Land. Es war das Jahr 1988, die Mauer stand noch. In elf Stunden düste er nach Frankfurt und am nächsten Morgen mit einer der letzten Pan Am Maschinen nach West-Berlin zum Flughafen Tegel. Man begrüßte sich dort herzlich. Nishantha hatte sofort das Gefühl: „Hier gehöre ich hin, in diese Stadt.“

Dann die große Überraschung: Den Hauseingang in Schöneberg hatte Nishantha schon einmal gesehen. „Ich habe von diesem Haus geträumt, das Haus war in meinen Seelenbildern drin.“ Ob er an Wiedergeburt glaubt? „Wie 70 Prozent aller Singhalesen bin auch ich Buddhist“, erklärt er. „Und für mich ist Wiedergeburt wahrscheinlich, es ist meine persönliche Wahrheit.“

Angst vor dem Winter

Auch von einer blonden, schönen Frau habe er als Teenager in Sri Lanka geträumt. Zunächst aber sprach er mit keiner Frau, sondern musste sich erst einmal ans deutsche Essen gewöhnen. „Ich war doch komplett fleischlos aufgewachsen“, erinnert er sich. „Es erschien mir falsch und tat mir weh, Fleisch zu essen.“ Weil es in Berlin überall Fleisch-Gerichte gab, aß er zuerst lange gar nichts.

Dann absolvierte er das Wochenend-Seminar „Holistische Therapie“. Weil er nur ein dreimonatiges Touristen-Visum hatte, flog er danach wieder nach Hause. „Ich hatte auch Angst vorm Winter in Berlin“, verrät Nishantha. Die tiefste Temperatur, die er kennengelernt hatte, betrug 28 Grad Celsius. Doch 1989 wurde er wieder nach Berlin eingeladen, von anderen Freunden diesmal. Und er kam. „Diese Menschen haben mich gemocht, wie ich bin und ich sie ebenfalls.“

Neuer Haarschnitt von Udo Walz, der sonst nur Damen frisiert

1989 fand Nishanta eine WG, in der er quasi umsonst wohnen konnte, zum Preis von regelmäßigem Hausdienst. Nebenher arbeitete er als Masseur, flog aber immer wieder nach Sri Lanka, bevor es kalt wurde. „Im Grunde bin ich bis zum Jahr 2000 dem Winter davongeflogen“, so die Bilanz des 55-Jährigen. „Ich hatte so eine Vorstellung von großen, schweren Eisbrocken, die einen im deutschen Winter erschlagen könnten.“

Nishantha zeigt ein Foto, auf dem er langes schwarzes Haar hat, bis zur Hüfte. „Das wollte ich irgendwann loswerden und ließ mir einen Termin bei Udo Walz geben“, berichtet er. Eigentlich habe der damals nur Damen frisiert, aber die Assistentin hatte die jugendliche Stimme von Nishantha für eine Frau gehalten. Also saß Nishantha wenig später bei Udo auf dem Frisierstuhl und ließ sich sein langes Haar abschneiden.

Amors Pfeil traf Nishantha zweimal

Ob er die blonde Frau aus seinen Träumen getroffen hat? „Ja, an einem Briefkasten in Berlin da habe ich mich verliebt“, sagt er. „Und später in meiner WG, da habe ich sie wieder gesehen.“ Und wieder erfüllt sich sein Traum: Die blonde Schönheit verliebt sich nicht nur in Nishantha, sondern macht ihm 1991 sogar einen Heiratsantrag, damit er nicht mehr alle drei Monate nach Sri Lanka fliegen muss. Die beiden bekommen drei Kinder miteinander. Leider hielt das Glück mit ihr nicht ewig. Aber darüber möchte Nishanta nicht sprechen. Er sagt nur: „Meine Eltern haben kommen sehen, dass wir nicht zusammenpassen, aber sie haben bis zur Scheidung geschwiegen.“

Die Frau seines Lebens

Nishantha hat sich noch einmal verliebt und dieses Glück hält bis heute. Bei einer Party von Freunden hatte er zuerst die filigranen High Heels einer Frau am Eingang stehen sehen und wusste sofort: „Der Mensch, dem diese Schuhe gehören, muss wunderschön sein.“ Und so war es. Mit Angelina, die neun Jahre jünger ist als er, war er zunächst nur gut befreundet. Angelina studierte Kommunikationswissenschaften und wollte Nishanthas drei Kinder zunächst näher kennenlernen, bevor sie sich sicher war, dass sie mit ihm leben konnte.

Nishantha und Angelina sind seit 25 Jahren zusammen, seit 10 Jahren verheiratet und haben eine gemeinsame Tochter. „Bei Anni sind auch meine Eltern sicher, dass sie wundervoll zu mir passt und an meiner Seite bleiben wird“, sagt er. Sind die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe nie schwierig? „Nein, wenn genug Liebe da ist, geht es“, sagt Nishantha. „Ich höre gerne buddhistische Mönchsgesänge zur Entspannung, und Angelina nicht, aber sie lässt mich. Und beim Kochen machen wir es so: Sie schnibbelt nur die Zutaten, ich koche und würze die Speisen alle ayurvedisch selbst, sonst bekomme ich schlechte Laune.“

Der zweite Wendepunkt

Der zweite Wendepunkt kam für Nishanta Pushpa Kumara 2015. Was da passierte? „Da richtete ich mein Labor für Beauty-Produkte ein“, erzählt er. Schon 1995 hatte ein Unternehmens- und Berufsberater aus Stuttgart Nishantha geraten, neben der Ausbildung als Masseur ayurvedische Produkte zu entwickeln. Dieser Vorschlag habe ihn 20 Jahre lang nicht losgelassen. 

Mit rein pflanzlichen Zutaten und ätherischen Ölen stellt Nishanta seit 2015 unter dem Namen „Meisma“ Körperpflege-Produkte her. Tierversuche sind nicht nötig. Seine Familie, vor allem seine Frau, testet die Produkte freiwillig an sich aus. Danach wandert jedes Produkt in ein Labor, um die Bestandteile zertifizieren zu lassen. Dass die liebevoll ertüftelten Cremes und Tinkturen so einen Erfolg haben, macht Nishantha glücklich. Seit einiger Zeit gehören auch Parfums zum Sortiment.